„Geschichte aus dem Kochtopf“ lautet deutschsprachig der etwas fragwürdige Titel einer Filmreihe von ARTE, die mit der Darstellung der Ess- und Trinkgewohnheiten der Römer beginnt. Zu sehen sind Rekonstruktionen, die aber mehr Wert auf Geschirr, Kostüme etc. gelegt haben, denn auf die Inhalte, auf die Geschichte.
Und damit stellt sich schon die erste Frage: Warum wird die Serie nicht mit den Griechen begonnen? Auch zur griechischen Küche der Antike liegen eine Vielzahl von Quellen, Rezepten, Beschreibungen vor. Siehe zum Beispiel: Dans la cuisine d’Archestratos de Gella : Recettes de l’antiquité grecque.
Zumindest wird aber noch erwähnt, dass es einen Zusammenhang zwischen der griechischen und der römischen Küche gibt. So wie aber Black Athena allgemein verdrängt wurde, so kommen auch hier die Einflüsse aus Asien und Afrika nicht vor, obwohl diese nicht nur die Rezepte beeinflussten. Vielmehr waren es auch eine Vielzahl an Lebensmitteln, die über die griechische und dann auch römische Küche Eingang in die europäische Küche fanden.
Auch das erste Kochbuch in Europa – keineswegs das erste Kochbuch der Welt (siehe dazu die Projektseite des Polylogzentrums), wie im Film behauptet wird – wird von seiner Bedeutung her auf die Raffinesse der Rezepte für Tiberius reduziert. Auch hier liegen dagegen Darstellungen vor, wie dieses Kochbuch überliefert wurde, in welchem Kontext es zu sehen ist. Siehe zum Beispiel: Recettes de l’antiquité romaine: dans la cuisine d’Apicius. Diese Darstellung zeigen, dass es um die Wirkungsweise der Speisen ging.
Von einer Geschichte der römischen Küche kann daher keine Rede sein, auch wenn sich der Film nicht auf die Orgien beschränkt und einiges Interessantes rekonstruiert hat. Insofern ist der Titel „Geschichte aus dem Kochtopf“ vielleicht doch sehr passend.
Die weiteren Teile dieser Serie fand ARTE setzen sich auseinander mit den „Genüssen des Mittelalters“, „Köstlichkeiten der Renaissance“, „Der Geschmack der Aufklärung“, der revolutionären Küche.
Immerhin wird in diesen Folgen in wenigen Sätzen auf den Einfluss der arabischen Küche Bezug genommen. Freilich sind die Prinzipien (z.B. Salat als Element der Kälte) dieser „arabischen“ Küche keineswegs „arabisch“, sondern „chinesisch“.
Wieder werden einzelne Elemente bzw. Kreatoren des Prozesses in den Vordergrund gestellt: Trennkost (= Fastenregeln der katholischen Kirche), Guttenberg (Verbreitung von Kochbüchern), Leonardo da Vinci (mit seinem Einfluss auf die Medici und damit auf die „klassische“ europäische Küche via dem französischen Hof), Bartolomeo Scappi (Opera dell’arte del cucinare, 1570), Erasmus von Rotterdam (Tischsitten) etc.
Obwohl das Essen als wesentliches Mittel für die Gesundheit erachtet worden wäre, wurden zentrale Bereiche ausgespart (z.B. die Erkenntnisse der europäischen Antike, die wiederentdeckt wurden). Auch beschränkt sich die Küche im wesentlichen auf Italien, Deutschland, Frankreich, Spanien. Andere Entwicklungen in Europa werden völlig außer Acht gelassen.
Immerhin reiht sich diese Serie aber nicht in die Kriegspropaganda ein, in deren Dienst seit dem 19. Jahrhundert auch die Darstellung des Essens „der Anderen“ gereiht wurde. So spielte in der Kriegspropaganda im 1. Weltkrieg zum Beispiel eine wichtige Rolle, ob Zucker an den Salat gehört oder nicht. (Seit der Antike wird Zucker als Geschmacksverstärker verstanden. Das zumindest wurde in dieser Serie zum Beispiel herausgearbeitet.)
Die Serie ist also bestens geeignet, um auf Defizite aufmerksam zu machen – und auf den Unterschied zwischen Show und wissenschaftlichen Erkenntnissen.